Absatz 3


Seit ihrem ersten Schockmoment vor ungefähr drei Stunden hatte sie und ihr Körper den Raum gewechselt, doch statt in ein kleines, kümmerliches Krankenzimmer zu kommen wie sie anfangs gedacht hatte, wurde ihre leere Hülle in ein ansehnliches und sogar recht großes Zimmer verfrachtet. Zu einhundert Prozent hatte ihr Vater irgendjemanden bestochen, damit man sie in eines der angenehmsten Zimmer rollte. Er hatte eh alles Geld der Welt. Nun saß sie hier, auf einem Stuhl, nur ein paar Schritte weg vom Krankenbett. Sie hatte versucht, den Stuhl näher heranzuschieben, doch wann auch immer Katlynn versuchte ein Objekt sichtbar zu verschieben oder überhaupt oder irgendwas in Berührung zu kommen, war sie wieder nicht existent. Ganz normales Sitzen auf einem billigen Plastikstuhl schien jedoch in Ordnung zu sein. Vorhin, als sie versucht hatte, den Stuhl zu bewegen, während sie darauf saß, war sie einfach durch den Stuhl gefallen und auf den Boden geknallt. Seitdem tat ihr Hintern weh. Jedenfalls saß sie nun da und schaut sich selbst dabei zu, wie sie wie eine Pflanze vor sich hinvegetierte. An eine Beatmungsmaschine angeschlossen wie ein Roboter. Dieselbe von vorhin, glaubte sie. Zudem war sie eingegipst und mehrere Zugänge an ihr befestigt worden. Ihr Gesicht war an mehreren Stellen genäht worden, sie hatte dabei zugesehen, wie man ihr Scherben in Größe von Chihuahuas aus dem Körper gezogen hatte. Hatte dabei zugesehen wie fremde Leute ihren Körper von Blut und Dreck befreiten... Es war zum ersten ziemlich peinlich gewesen und zum zweiten...hatte sie erwähnt, dass es einfach wirklich peinlich gewesen war? Die hatten sie Nackt gesehen. Ok ok, zurück zum Zimmer. Wie gesagt war es angenehm groß, neben ihrem Bett standen diverse andere Maschinen, die ihren Herzschlag überwachten usw, usw, usw. Ihrem Bett gegenüber standen vollgestopfte Schränke. An der äußeren Wand, der Tür gegenüber war ein Fenster ohne Vorhänge. Das war es. Sonst war es leider leer. Ihr war bewusst, dass dieser Raum Gestalt annehmen würde, e länger ihr Körper hier sein würde, eventuell würde sie ja nie mehr gehen... Der Gedanke allein ließ Tränen in ihren Augen auftauchen. Mit einem tiefen Luftholen sammelte sich Katlynn. Die momentanen Fakten waren die: Als Erstes, sie war nicht tot, (das hatte sie als Erstes festgestellt.) Ob sie darüber erleichtert war oder nicht, immerhin war sie kein Stück mehr existent und komplett isoliert. Vielleicht wäre sie dazu verdammt, von nun an wie ein Geist zu leben. Zweitens, das hier war offensichtlich kein Traum. Sie hatte alles Mögliche versucht, um sich aufzuwecken. Falls sie am Schlafen war. Was sie nicht war. Und tatsächlich hatte sie einen Unfall gehabt, doch nicht wegen den Gründen die sie am Anfang vermutet hatte. Sie hatte lauschen können als sich Männer vor ihrer Tür unterhalten hatten. Ihr Auto war in Ordnung gewesen. Selbst im Dunkeln, hatte sie geniale Sinne. Etwas musste passiert sein, was sie dann von der Straße und in einen Baum geschickt hatte. Doch was es auch war, sie wusste es nicht. Vielleicht hatte sie ein Eichhörnchen überfahren. Scheiße, das wollte sie nicht getan haben. Sie mochte Tiere. Leider war das auch schon alles. Mit der einzigen Option hier zu sitzen und zu warten, fiel Denken ganz einfach. Immerhin hatte sie nichts zu tun. Ihre Eltern waren kurz da gewesen, aber sofort wieder gegangen, bevor die Sonne aufging. Natürlich, beide hatten erfolgreiche und somit keine Zeit für ihre Junkie Tochter, die wahrscheinlich im Raus befand, als sie gegen den Baum gefahren war. Sie war nüchtern gewesen. Super clean. So verdammt clean, dass man von ihr hätte essen können. Sie hoffte, dass ihre Eltern erfuhren, dass sie sauber und keine Drogen intus hatte, als sie verunglückte. Ihre Eltern wären stolz gewesen, möglicherwiese sogar der Rest der Familie. Katlynn war tatsächlich auf dem besten Weg gewesen, ihr Leben in den Griff zu kriegen. Katlynn stand auf und streckte sich ausgiebig mit einem lauten Gähnen. Es war nicht so, als könnte ihr jemand nun missbilligende Blicke zuwerfen. Kein Schwein konnte überhaupt wissen, dass sie hier den Penner raushängen ließ und sich wie ein Parasit hier breit machte. Haha. Sie war ja so ein Schmarotzer, wie konnte sie es nur wagen neben sich selber auf einem Stuhl herumzugammeln. Es stimmte sie sauer, dass sie nichts tun konnte außer hier herum zu sitzen und nichts zu tun. Mit wachsamen Augen blickte sie sich um und spähte beifällig aus dem Fenster. Es war immer noch Dunkel und es kippte immer noch wie aus Eimern. Jedoch war es um Längen, nicht mehr so Dunkel wie es vorhin gewesen war. Vorher hatte man nichts sehen können. Trotz der Straßen Laternen. Es gruselte sie zurück, an diese tiefe Schwärze zurückzudenken. Doch wenn die Sonne aufging, würde sie die Wärme der Sonne noch spüren können? Immerhin konnte sie Schmerzen spüren, ihr Hintern war der lebende Beweis. Was nicht unbedingt dasselbe war. Oder doch? Ihre Hoffnung auf Wärme und eine eventuelle Sonnenbräune blieb bestehen, während Katlynn zum Bett herüber tapste. Sie hatte nicht vor, auf dem Boden zu schlafen. Auch wenn die Idee zuerst verlocken geklungen hatte, da sie keine Lust hatte, noch einmal auf dem Po zu landen. Schon das erste Mal hatte wirklich wehgetan und für eine ganze halbe Stunde hatte sie befürchtet sich das Steißbein gebrochen oder angeknackst zu haben weil es so wehtat. Glücklicherweise konnte sie noch sitzen und somit fiel ihre Vermutung auf trockenes Land. Sie runzelte die Stirn. Wieso dachte sie so übertrieben viel über Dinge nach die sie normalerweise nicht kümmerten. Wäre sie in ihrem Körper, wäre sie einfach zum Arzt gegangen. Oh. Stimmt ja. Sie war ja nicht mehr in ihrem Körper. Es war ja nur ihr Körper. Es war ja nicht so als würde sie sich in einen heißen Typen reinlegen oder so. Haha. Mit einem leichten Schmunzeln legte sie sich zögerlich, darauf bedacht nicht durch das Bett zu fallen, hin. Nach einigen Versuchen so zu liegen wie ihr Körper, damit sie auch unter die Decke konnte, gab sie auf und pustete entnervt eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Einfach so auf dem Rücken zu liegen war unbequem. Scheiße. Sie rollte sich auf den Bauch, mit dem Gesicht im Kissen. Ihre Lungen ließen grüßen, atmen war auf diese Weise unmöglich. Konnte sie überhaupt sterben während sie in diesem Zustand war? Katlynn hob den Kopf um ein paarmal zu husten. So unbedingt rausfinden wollte sie das nun auch nicht. Es konnte gut möglich sein, dass ihr Herz stehenblieb, also das von ihrem Körper, sobald ihre Geisterform ins Gras biss. Man musste es wirklich nicht darauf anlegen. Sie hatte keine Lust wegen eines dummen Versuches, ihre Chancen zu verspielen. Es war kalt. Langsam holte sie tief Luft und schrie laut aus Frust. Kein hektisches Krankenpersonal kam herein, niemand kam herein. Überhaupt nahm keiner sie wahr. Schade eigentlich. Wie so konnte sie das eigentlich so hinnehmen? So ruhig? Ja, vorhin hatte sie hysterisch vor sich hin geheult, doch nun lag sie hier und schien das Ganze mit einer gelassenen Akzeptanz in Erwägung zu ziehen. Als wäre das hier doch ein Traum. Wer weiß, konnte ja sein, dass sie momentan doch auf LSD war und sich all das hier einbildete. Der Gedanke daran, dass sie wohlmöglich immer noch zuhause saß und gerade aufs Übelste halluzinierte, war zwar amüsant, aber auch ein wenig verunsichernd. Katlynn war sich sicher, alle Drogen, die sie hatte, entsorgt zu haben. Sie konnte unmöglich neue besorgt haben, ohne es zu merken, so stark konnten Entzugssymptome doch nicht sein. Unmöglich. Sie stieß ein nervöses Lachen aus und dachte nochmal über die Möglichkeit nach, dass sie sich doch Nachschub besorgt hatte, während sie mit dem Entgiften total von den Socken gewesen war. Persönlich hielt sie es für unwahrscheinlich, dass ihr Bewusstsein ihr einen solchen Strich durch die Rechnung zog, ohne dass sie es auch nur annähernd merkte. Anderseits hatte sie andere Leute gekannt, die ähnliches erlebt hatten. Aus eigener Erfahrung. Was Katlynn bis jetzt so gar nicht geglaubt hatte, weil sie einen Entzug unterschätzt hatte. Sie hielt inne, was tat sie hier? Lenkte sie sich wirklich mit ihrem Drogenproblem von der jetzigen Situation ab? Gott, war sie ein Feigling, nein stopp, sie war kein Feigling. Schaudernd zwang sie sich, an den Unfall zu erinnern. Nun, wo sie nicht mehr aus jeder Körperöffnung blutete, fiel ihr das Denken sehr viel leichter. Ruckartig setzte sie sich auf und schwang die Beine über die Bettkante, so dass ihre Beine baumeln konnten. Nun da sie damit angefangen hatte, sich an den Vorfall zu erinnern, würde sie eh keinen Schlaf mehr finden. Wenn sie auch nur an das Ganze, von einer fernen Perspektive aus dachte, so krampfte sich ihr Magen sofort zusammen und ein Gefühl des Schwindels überkam sie. Alleine, wenn sie auch nur kleine Stücke des Abends aus ihrem Gedächtnis holen wollte, überfiel sie ein Phantomschmerz von ihren eigenen gebrochenen Knochen, von Glassplittern, die sich durch ihre Haut in ihre Organe gruben. Wie ein heißes Messer durch Butter. Schweiß brach ihr aus und benetzte sichtbar ihre Stirn, auf einmal war es so unglaublich warm hier drinnen. Unerträglich heiß beinahe. Mit den Gedanken und den Sinnen in der Vergangenheit befand sie sich wieder kopfüber, in den Sicherheitsgurtend hängend, im Auto. Umgeben von tiefster Schwärze. Dunkelheit, die man nicht einmal mit dem Scheinwerferlicht eines Autos brechen konnte. Hilflos und alleine, nicht Imstande auch nur nach Hilfe zu rufen. Ohne Hoffnung, mit dem Gedanken im Nacken, dass sie unausweichlich dort sterben würde. Die Stimme ihres Vaters klang in ihren Ohren nach wie ein Echo, doch trotz seines Wissens, dass ihr etwas passiert war, war sie doch komplett verlassen. Wie eine Schildkröte, die auf den Rücken gelandet war und nicht mehr rechtzeitig herumrollen konnte, bevor der Feind seine Zähne in die schwächere Schale rammte. Als sie sich aus ihrer Panikattacke reißen konnte, war sie am Schwitzen und Zittern. Wackelig kauerte sie sich wieder in das Krankenbett und blieb so liegen, sie wollte endlich, dass dieser Trip zu Ende war, dass sie aufwachte oder was auch immer. Alles was Katlynn wollte, war, dass all das hier sich als böser Traum entpuppte und sie jeden Moment mit einem Hang-over in ihrem Bett aufwachen würde. Leider nicht. Egal wie lange sie dort lag, sie wachte nicht auf. Warum bestrafte sie das Leben so? Außer sich selbst hatte sie doch niemals jemandem geschadet. Doch, so ganz stimmte ihre Aussage nicht. Ihre Eltern hatten sicherlich unter ihrem Verhalten gelitten und zwar nicht zu knapp. Des Öfteren hatte sie mit ansehen müssen wie ihr Verhalten ihren Vater zur Weißglut, und ihre Mutter zu Tränen brachte. War das vielleicht ihr Fehler gewesen? Vielleicht war es ihr nicht erlaubt sich selbst in die Hölle zu koksen wenn andere davon Schaden nahmen, aber verdammt, sie hatte sich doch gebessert. Ihre alte Wohnung hatte sie innerhalb einer ganzen Woche komplett frei von allen Schadstoffen bekommen. Keine Zigaretten mehr, kein Alkohol und vor allem keine Drogen. Sie hatte sogar in der Zeitung nach Jobanzeigen gesucht und sich einige rausgeschnitten. War das nicht genug? Anscheinend nicht. Sonst wäre ihre kümmerliche Existenz nicht so abrupt beendet worden. Katlynn war Christlich und auch wenn sie der festen Überzeugung war, dass alles zu einem Grund geschah, konnte sie doch hier keinen erkennen. Einen guten jedenfalls nicht, immerhin war das ganze eh total unrealistisch. Könnte die Welt bitte wieder anfangen, sich normal zu drehen? Ohne nachzudenken, fing sie an, sich wild auf dem Bett hin und her zu werfen. Alles pisste sie so sehr an, wieso jetzt, wo sie endlich einen Weg gefunden hatte, aus ihrem Teufelskreis zu kriechen. Sie beging den Fehler und warf sich zu sehr nach rechts, nur um Bett zu fallen. Nun lag sie da auf dem Boden und hielt sich frustriert den Kopf. Laute streitende Stimmen, die sich näherten, ließen sie jedoch hochfahren. Direkt nachdem sie auf die Beine gekommen war flog die Tür auch schon auf und krachte beim Aufschwingen mit einem lauten Krachen gegen die Wand. Ihre Eltern waren wieder da, nun jedoch in Alltagsklamotten. Ihre Mutter, welche sich mit der Anmut einer Profi Ballerine prompt auf den Stuhl setzte, auf dem sie gut eine ganze Stunde mit Nachdenken zugebracht hatte. Das hübsche Partykleid von vorhin hatte sie gegen eine weiße Bluse, welche am Oberkörper eng ansaß, aber keine Ärmel hatte eingetauscht, dazu trug sie eine schwarze Röhrenjeans und hatte die hochhackigen Schuhe gegen weiße Sneakers eingewechselt. Ihre Haare waren frisch gewaschen und fielen offen wie blonde Wellen über ihre Schultern und umrahmten ihr nun sogar neu geschminktes Gesicht. Der klassische dunkle Lidschatten und der rote Lippenstift passten einfach so gut zu ihr. Man konnte dieser Frau nicht mehr ansehen, dass sie Stunden zuvor aussah wie eine lebende Tote. Selbst ihr Vater hatte den Anzug gegen eine einfachere und gemütlichere Variante eingetauscht. Er trug ein schwarzes T-Shirt, welches locker über seiner Brust saß. Er hatte nicht unbedingt Muskeln, doch das machte er mit seinem breiten Körperbau wett. Wenn man auf seinen haarigen Beine achtete, die unter seinen weißen Kunstfaserhosen steckten und die sauberen Laufschuhe ignorierte, könnte man denken, er wäre ein Grizzly. Er hatte sich im Gesicht rasiert, doch man erkannte immer noch feine Stoppeln und seine Haare waren mit so viel Haar Gel aufgestylt, dass man nicht wirklich erkannte, ob sie nun gewaschen waren oder nicht. Doch im Ganzen sahen Katlynns Eltern aus wie immer, dennoch war etwas falsch. Sie wirkten...einfach anders. Robert ging herüber zum Fenster und schnaufte laut. „Sie haben die Vorhänge vergessen." Es war ein einfaches Statement, Annabella nickt. Keiner von beiden schauten ihren Körper an, sie schauten irgendwohin. Ihre Mutter auf den Boden und ihr Vater aus dem Fenster. „Sie werden sie sicherlich noch befestigen." Die Stimme ihrer Mutter war genauso sachlich wie die ihres Vaters, zitterte jedoch im Unterton wie ein einzelnes Blatt, welches sich trotz des Windes noch an einen Ast klammerte. In einem verzweifeltem Versuch, nicht runter zu fallen. Worüber hatten die zwei noch gestritten, kurz bevor sie hereinkamen? Da Gings schon los. „Wie kannst du so tun, als wäre eine Fremde gegen den Baum gefahren?" Nun zitterte die Stimme von ihr schon deutlicher. „Sie ist deine Tochter." Ihr Vater nickte nur. „Sie ist in der Tat meine Tochter." Sein Blick war immer noch starr nach draußen gerichtet. „Doch dir ist genauso bewusst, wie 'unsere Tochter' ist oder ist es dir wohlmöglich entgangen?" Nun schwang eine kalte Abfälligkeit in seiner Stimme mit. Wie Pfeile bohrte sich genau diese Abfälligkeit in Katlynns Herz. Wie Pfeile mit Widerhaken, kaum möglich zu entfernen. An dem geräuschvollen Keuchen ihrer Mutter konnte sie erkennen, dass es ihr ähnlich erging. „Robert, um Gottes willen, Robert! Du hattest sie m Telefon als es passierte!" Nun richtete sie sich auf, ihre Haare bewegten sich mit wie eine goldene Welle. Sie ging mit festen Schritten auf ihren Ehemann zu. Erst als sie ihn fast berührte drehte er sich zu ihr um. Seine stahlgrauen starrten mit gewöhnter Härte und Autorität in die blauen Augen welche ihm entgegenblickten. Doch anders als zu strahlen und zu leuchten, waren diese Augen nun matt und trüb vor Kummer. Die beiden stießen einander ab. Während Annabella sich momentan für nichts anderes als ihre Tochter interessierte, so schien ihr Vater, Robert, sich kaum bis überhaupt nicht für seine Tochter zu kümmern. „Am Telefon, wusste ich nicht, dass sie sich schon wieder etwas eingeworfen hatte." Natürlich würde er glauben, dass genau das der Fall gewesen war. Schiebt alles auf die Drogen. Wütend schrie Katlynn und schrie sie nur wegen der Ungerechtigkeit. Ihr Vater konnte sie nicht mehr hören, nie mehr vielleicht. Er würde niemals von ihr hören, dass sie aufgehört hatte, dass das Schicksal sie betrogen hatte, genauso wenig wie ihre Mutter. Sie würden in dem Glauben leben, dass sie ihre Tochter verloren hatten weil diese Auto gefahren war, während sie sich alle existenten Drogen und was wusste sie noch hinter kippte bis eine monotone Krankenschwester ihnen erzählte, dass ihr Blut sauber war und sie ihre einzige Tochter unnötig beschuldigt hatten. Auch wenn es zu erwarten gewesen war, dass die beiden diese Annahme von der Situation hatten. Immerhin war dies auch die einfachste Erklärung. Vielleicht hatte ihr Vater gar keine andere Option , wie ungefähr, dass sie einen Unfall gebaut hatte, obwohl sie keinerlei intus von irgendwas im Blut gehabt hatte. „Das macht sie nicht weniger zu deiner Tochter!" Die Stimme der Mutter war nun schrill und laut. Auch ihr Vater hob seine Stimme an und donnerte gegen ihre Behauptung. "Es macht diese ganze Situation nicht zu unserem Problem!" Er packte Annabella an den Schultern. „Wir wussten es beide, lass dich nicht von Katlynn zerstören, nur weil sie das Leben hasste!" Gepeinigt wandte sie sich von ihren Eltern ab. „Sie ist gerade mal neunzehn Jahre alt, sie hat das Leben noch vor sich!" – „Hatte", die Stimme von ihm war ruhig geworden, sanft. „Annabella, sie ist weg, so gut wie." Was wiederum die total falsche Entgegnung war, einer hysterischen Frau gegenüber. Katlynn schloss die Augen und blieb mit dem Rücken ihren Eltern zugewandt stehen, sodass sie ihrer Mutter nicht dabei zusehen musste, wie sie zusammenbrach. Wahrscheinlich würde es ihre Schminke wieder ruinieren. Das zitternde Schluchzen und Schniefen fing an und wurde in kürzester Zeit zu einem ausgebauten Heulkrampf. Ihre gebrochene Stimme hallte von den leeren Wänden wieder und füllte den Raum mit ihrer Verzweiflung und Trauer. Ihr Satz durch das ganze Schluchzen kaum zu verstehen. „Wir werden sie nicht töten." Man hörte nur das leise Gemurmel als Antwort, ruhig und sanft, immer noch darauf aus, die blonde Frau zu beruhigen. Beide wurden still und man hörte nur noch das gelegentliche Schluchzen ihrer Mutter. Schau sie an verdammt nochmal, schau sie an! Katlynn öffnete die Augen und drehte sich nur zögerlich um. Sie musste sie sehen und sich an alles erinnern, was die beiden für sie getan hatten. Es musste sein, sie konnte sich selber nicht erklären, wieso. Vielleicht hatte sie Angst, dass die beiden nach heute gehen würden, ohne sie. Auch wenn ihre Eltern sie immer durch ihr Leben begleitet hatten und sie sogar gezogen hatten, sollte es nötig sein. Wer sagte ihr, dass sie letztendlich nicht zu schwer für die beiden geworden war? Ein nutzloses Gewicht? Wer konnte ihr Versprechen, dass sie ihren Körper nicht doch ab stöpseln würden, um sich den ganzen Schmerz vom Rücken zu binden, den sie ihretwegen immer mich sich herumgetragen hatten wie Rucksäcke? Sich jedoch umzudrehen, war schwerer als gedacht, wollte sie wirklich, dass das letzte Bild von den beiden so aussah? Ihre Mutter verheult, in den Armen ihres Vaters, welcher mit einem hasserfülltem Blick in die Richtung ihrer leeren Hülle starrte? Dennoch wandte sie sich um und schaute den Haufen am Boden an. Beide knieten dort auf dem Boden, ihre Mutter hatte sich gegen die Brust ihres Vaters gekauert, welcher seine Arme um sie gelegt hatte um sie an sich zu drücken. Annabella war ganz aufgelöst und weinte in sein Shirt, ihr Gesicht war in seiner Schulter vergraben und so würde er wohl ihre ganze Schminke abkriegen. Robert hatte sein Gesicht in den Haaren seiner Frau versteckt und wiegte sie sanft hin und her. Beide direkt vor dem Fenster, während Katlynns Körper nur wenige Schritte weiter ruhig auf dem Bett vor sich hin vegetierte. Langsam schnürte ihre Verzweiflung die Kehle zu und machte ihr das Atmen schwer. Beinahe wünschte sie sich, dass sie einfach von der Beatmungsmaschine abgezogen wurde, genauso von all dem anderen kram, der sie gerade am Leben hielt. Ihre Eltern waren gute Menschen. Sie hatten eine heile Welt verdient, keine Tochter, die alles daran setzte, sich selbst das Leben schwer zu machen. Hey, vielleicht konnte ihr Vater ihre Mutter dazu überreden. Nach ihrem Tod könnten sie einfach ein neues Kind machen. Einen kleinen Jungen vielleicht, den ihr Vater mit zum Angeln oder Basketball spielen nehmen konnte. Ihre Mutter hatte sich immer einen kleinen Bruder für sie gewünscht. Auch wenn der Bruderteil nicht wahr werden würde, so hätte sie einen kleinen gesunden Sohn. Einen Sohn, welcher sie beide stolz machen konnte, welcher strahlend nach Hause käme und von seinen Siegen in Sportsvereinen erzählen würde, von guten Noten. Katlynn ging hinüber zum Stuhl und setzte sich wieder drauf, wartete. Ihr Vater hatte Recht, man sollte sich nicht ihretwegen zerstören. Die beiden wären besser ohne sie dran. Als ihr Vater den Kopf regte, wappnete sie sich. Bereitete sich auf ihr Ende vor. Poetisch wie sie das ausdrückte obwohl es wirklich ihr Vater sein würde, der es beenden würde. Er sagte nichts, er hob nur den Kopf und ihr Atem setzte aus. Seine normalerweisen kalten und unlesbaren Züge waren verzerrt, seine Augen waren aufgerissen und eine tiefe Trauer hatte sich darin breit gemacht. Wenn man ganz genau darauf achtete, so konnte man erkennen, dass er kaum merklich zitterte, während er ihrer Mutter den Rücken streichelte, um sie zu beruhigen. „Wir werden sie nicht töten." Seine Stimme brach an den Kanten etwas ab und seine Tonlage war eine Stufe tiefer geworden. Mit dieser Stimme wiederholte er die Worte von Annabelle, ein Versprechen, welches nicht ausgesprochen werden musste. Katlynn schaute auf ihre Hände, sie waren total ruhig, zitterten nicht einmal. Ihr Blick wanderte zurück zum Fenster über ihre Eltern hinweg. In der Ferne sah man das Licht des Tages am Horizont. Ein sanfter Pink Ton mit Rot und Orange durchzogen. Hier und dort waren ein paar Sterne noch zu sehen, wo der Himmel noch dunkel war, doch der Tag kam. Die Erde drehte sich weiter und die Zeit blieb nicht stehen, auch ohne sie. Und doch kauerten ihre Eltern dort, als wäre das Ende der Welt eingetroffen. Sogar ihr Vater weinte. Wieso war ausgerechnet sie so ruhig?


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